[aus: Dissertation vom 8.Feb 1905]
Lebenslauf
Als Sohn des Uhrmachers "Wilhelm Giebel wurde ich, Friedrich Karl Giebel am 27. April 1879 zu Barmen geboren. Den Elementarunterricht erhielt ich in der Gemeindeschule zu Barmen - Wupperfeld. Darauf besuchte ich das Gymnasium zu Barmen und später die Ober-Realschule zu Barmen-Wupperfeld, die ich Ostern 1899 mit dem Zeugnis der Reife verliess. In Göttingen studierte ich 2 Semester und besuchte dann die Universitäten München und Berlin je ein Semester. In München hörte ich auch Vorlesungen an der technischen Hochschule. Ostern 1901 wandte ich mich wieder nach Göttingen, wo ich, abgesehen von einer halbjährigen Unterbrechung (0. 1902 bis M. 1902), bis zum Ende meiner Studienzeit verblieb. In dieser Zeit wandte ich mich besonders den Anwendungen der Mathematik und Physik zu.
Fachwissenschaftliche Vorlesungen hörte ich bei den Herren Ambronn, Aschkinass, Des Condres, Döhlemann, Ebert, K. Fischer, Frobenius, Grätz, Hilbert, Kaufmann, E. Meyer, Minkowski, Bunge, Schilling, W. Schur, Schwarzschild, Simon, Wiehert, und vornehmlich bei den Herren Klein, Lorenz, Prandtl, Riecke und Voigt.(...)
[aus: Deutsche Uhrmacher-Zeitschrift Nr. 4/1950]
(...)
Als im Jahre 1919 die stürmische Nachkriegszeit für die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte erhebliche Umwälzungen brachte, fiel die Wahl eines neuen Schulleiters auf Herrn Dr. Karl Giebel aus Barmen, der am 1. April 1920 sein Amt antrat.
Dr. Giebel war 1879 in Barmen geboren und besuchte das Gymnasium seiner Heimatstadt. Schon in den Knabenjahren hatte es ihm das lebendige Ticken der Uhren in der väterlichen Werkstatt angetan, und immer wieder reizte es ihn, zu beobachten, durch welch sinnvolles Zusammenspiel der Getriebe die Antriebskraft des Räderwerks bis zum Gangregler geleitet wurde. Diese Neigung ließ ihn sich nach beendetem Hochschulstudium der Physik und Mathematik der wissenschaftlichen Uhrmacherei zuwenden. Auch die damit im Zusammenhang stehenden Probleme der Astronomie Fesselten ihn in besonderem Maße. Die Verbundenheit mit seinen Vorfahren führte ihn zwar nicht dauernd an den Werktisch zurück, band ihn aber für sein Leben an das Fach.
Von seiner Lehrtätigkeit an der Oberrealschule in Zeitz, weg brachte ihn sein fachwissenschafllicher Ruf im Jahre 1920 nach Glashütte in Sachsen. Nahezu 30 Jahre hat die Uhrmacherschule in Glashütte unter seiner Leitung gestanden. Sein überragendes wissenschaftliches Können, seine Verbundenheit mit der Praxis und seine pädagogischen Fähigkeiten schufen im Laufe dieser 30 Jahre eine Bildungsstätte unseres herrlichen Uhrmacherhandwerks, die weit über den allgemeinen Rahmen hinaus bekannt wurde. In stiller, unermüdlicher Arbeit unterzog er schon in den ersten Jahren seiner Amtstätigkeit den Lehrplan einer eingehenden Durchmusterung, baute ihn in Praxis und Theorie methodisch geschickt auf, fügte manches Neue ein und strich Älteres, um Platz zu schaffen. Unter seiner Führung konnte sich in einmütiger Zusammenarbeit der gesamten Lehrerschaft ein Geist frohen Schaffens und ernsten. Bemühens voll auswirken. Seiner Initiative war es zu verdanken, daß der theoretische Unterricht eine Erweiterung auf den verschiedenen Gebieten der technischen Mechanik, der Elektrotechnik und der allgemein bildenden Fächer mit Einschluß der kaufmännischen erfuhr. Bestimmend für seine Arbeit an der Schule war für ihn die Erkenntnis, daß gerade für gewerbliche Schulen, die mit dem wirtschaftlichen Leben in Fühlung bleiben müssen, noch mehr als für andere jeder Stillstand Rückschritt bedeutet. Immer wieder tauchten Fragen auf, die der Lösung harrten. Fragen, die durch die stürmische Entwicklung der Technik sowohl wie auch durch den Ausbau des gewerblichen Schulwesens sich von selbst darboten und von ihm meisterhaft gelöst wurden. Ich denke da an seinen Gedanken, den Lehrplan der Schule auf Konstruktionslehre und genaue Kenntnis der Werkzeugmaschinen zu erweitern und so durch Angliederung der feinmechanischen Werkstätten frühere Schwierigkeiten zu überwinden. Seinen Bemühungen war es zu verdanken, daß die Uhrmacherschule dadurch in die Lage versetzt wurde, vollwertige Techniker für Uhrenfabrikation und für Feinmechanik praktisch und theoretisch auszubilden.
Auch die Einführung der Gehilfen- und Meisterprüfung an der Schule gelang ihm nach Überwindung großer Schwierigkeiten. Nachdem er die Fragen des Lehrplanes, des Lehrbetriebes und der Prüfungen zum Abschluß gebracht hatte, sah er seine weitere Aufgabe darin, den Unterricht nach allen Seiten auszubauen. Seine Hauptaufgabe war natürlich die lebensnahe Ausbildung seiner Schüler. Trotz deren ziemlich kleinen Anzahl war der Einfluß der Uhrmacherschule Glashütte auf die Hebung des Faches von großer Wirkung. Das Ziel von Dr. Giebel war, jeden Schüler zu einem Kraftzentrum werden zu lassen, von dem Kenntnisse und Fertigkeiten ausstrahlten. Wenn auch nicht alle Schüler diese Eignung und Fähigkeit haben, so können wir doch mit großer Dankbarkeit gegenüber dem Dahingegangenen feststellen, daß viele seiner ehemaligen Schüler sich mit bestem Erfolge der Ausbildung des Nachwuchses annehmen. Ihm war es immer völlig unwichtig, daß seine Arbeit meist unerkannt im Hintergrunde blieb, aber wesentlich, daß die seiner Mitarbeiter und Schüler gefördert wurde. Sein unermüdlicher Fleiß ging auch aus dem Leitsatz hervor, den er seinen Schülern immer wieder mitgab; „Es darf kein Tag vorübergehen, an dem wir nicht etwas dazu lernen!" Nicht nur in Mathematik und Physik, nein, auch in allen Fragen des täglichen Lebens war er seinen Schülern Berater und Stütze. Grundgütig und immer hilfsbereit hat ihn jeder kennen gelernt.
Durch seine Veröffentlichungen erwies er der wissenschaftlichen Uhrmacherei unschätzbare Dienste. Einige seiner Arbeiten seien hier genannt;
„Der Einfluß der Hemmung auf den Gang der Uhren." Göttingen 1905. „Der Isochronismus bei Äußeren Störungen". Berlin 1907. „Die Normung im Uhrengewerbe." Berlin 1926. „Das Pendel." Halle 1928. „Die Trigonometrie der Uhr." 1936.
Ferner hat Dr. Giebel über Verzahnung, Reibung, Verbesserung des Federhauses, Quarzuhren und anderes mehr geschrieben.
30 Jahre diente er unmittelbar der deutschen Uhrmacherschule in Glashütte als deren Direktor, sein ganzes Leben galt in unermüdlichem Schaffen der Uhrmacherkunst. An unserer Fachzeitschrift war er ein hochgeschätzter Mitarbeiter, mit dem wir seit Jahrzehnten in Freundschaft verbunden waren.
(...)
Am 19.3.1950, ungefähr einen Monat vor Vollendung seines 71. Lebensjahres, verstarb Dr. Karl Giebel, Oberstudiendirektor der Uhrmacherschule Glashütte/Sa.