Der Glashütter Ankergang

englisch Glashütte lever-escapement
französisch échappement à Glashütte
Erfinder Ferdinand Adolph Lange (1818-1875)
Land Deutschland
ab 1845
Verwendung Kleinuhren

Vor gut 150 Jahren legte Ferdinand Adolf Lange in dem kleinen Städtchen Glashütte (im Erzgebirge gelegen und zu der damaligen Zeit sehr verarmt) den Grundstein zu einem Mythos, dessen Wurzeln sich als so stark erwiesen haben, dass sie alle Widrigkeiten der Geschichte überstanden haben und heute stärker zu sein scheinen als je zuvor. Dieser Mythos rankt sich zu großen Teilen um die in Glashütte praktizierte (nein ich sollte besser schreiben zelebrierte) Präzisionsuhrmacherei, die kompromißlos auf den höchsten Stand des technisch Machbaren getrieben und gehalten wurde und wird. Der hier vorgestellte "Glashütter Ankergang" ist eine aus diesen Bestrebungen hervorgegangene Schöpfung und ein sehr bedeutsames Mitglied des elitären Klubs der Bauteile, die besagten Mythos auf seine Größe gebracht haben...

 

Warum nun die ganzen Lorbeeren?

Nun, weil der Glashütter Ankergang in einer Zeit entstanden ist, in der das technische Potential, das dem Prinzip des Ankerganges von Natur aus innewohnt, noch lange nicht ausgeschöpft war. Und genau in dieser Zeit wurde dann eine Konstruktion (eine Variante) des Ankerganges geschaffen, die die Meßlatte, an der sich die anderen Konstruktionen zu orientieren hatten (wenn sie denn mit ihm konkurrieren wollten) sehr hoch legte. Für einige Varianten zu hoch (englische Ankergang u.s.w). Einzig der Schweizer Ankergang konnte im Laufe der Jahre diese Marke erreichen, um sie dann allmählich zu übertrumpfen. Dies tat er vor allem im Hinblick auf die Fertigungskosten, also einem Gebiet, dem in Glashütte lange Zeit nicht allzuviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Aber was sind nun die Merkmale des Glashütter Ankerganges?

Da wäre das Material. Ankerrad und Anker sind aus einer gehämmerten Goldlegierung gefertigt, die durch ihre Behandlung in etwa die Festigkeit von Stahl aufweist und vor allem (das war ein wichtiges Argument) nicht oxidiert und auf dem sich das Öl lange "frisch" hält. Die Ölfrage war zu der damaligen Zeit eine sehr heiß diskutierte, denn es gab kaum Öle, die länger als drei Jahre in einer Uhr durchhielten, ohne ihre Eigenschaften (Viskosität) erheblich zu verändern. Diese Veränderung ging und geht mit einer Verschlechterung der Genauigkeit der Uhr einher und das konnte man doch in Glashütte um keinen Preis dulden. Nebenbei ist Gold natürlich auch antimagnetisch, was ja nicht das Schlechteste in einer Uhr zu bedeuten hat.

Weiterhin ist der Anker so konstruiert, daß er vollkommen im Gleichgewicht ist. Wenn man ihn also waagerecht auf seine Zapfen auflegt, bleibt er in jeder Position liegen. Die Frage des Schwerpunktes des Ankers, wurde unter dem Aspekt diskutiert, daß die Auslöse- und Antriebskraft in den verschiedenen Lagen durch einen aussermittigen Schwerpunkt beeinflußt werden kann und das wiederum Einfluß auf die Präzision hat....

Die Paletten sind verdeckt (was eigentlich kein Vorteil ist, aber es ist eben so) und weisen eine Wölbung auf, damit - um alles in der Welt - keine Adhäsion zwischen Ankerrad und Paletten auftreten kann und die wiederum abhängig vom Alter des Öls ist und von dessen Temperatur und somit die Präzision beeinflußt....

Die Begrenzung des Ankerweges geschieht durch einen einzelnen Stift, der sich in einer Bohrung in der Platine bewegt. Der Stift dient auch zum weiter oben erwähnten Gewichtsausgleich und hat nebenbei noch die Eigenschaft, daß das Zusammenspiel Anker-Stift-Bohrung äußerst schwierig herzustellen ist und somit vor allem der Mythenbildung dienlich ist. Weiterhin ist zu erkennen, daß der Stift an der Stelle angebracht ist, wo sich die meiste Masse des Ankers konzentriert und demnach bei einem Aufprall die Masse direkt aufgefangen wird und somit ein "Schwingen" des Ankers beim Aufprall vermieden wird und somit die Präzi...

(Beim Schweizer Ankergang muß die Energie durch den relativ schmalen Ankerschaft in die Begrenzungsstifte geleitet werden, was unter Umständen zu Schwingungen beim Aufprall auf die Begrenzungstifte führen kann. So zumindest die damalige Argumentation)

Zu guter Letzt ist es die Präzision, mit der dieser Ankergang gefertigt wurde. Alle Teile aufs Feinste vollendet...